Projektideen in vier Schritten pragmatisch erfassen, bewerten und auswählen
In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickeln kreative Mitarbeiter viele innovative Ideen, die im Rahmen von Projekten umgesetzt werden könnten. Was auf der einen Seite aus Sicht der Geschäftsführung sehr begrüßenswert ist, stellt die Verantwortlichen auf der anderen Seite vor die Herausforderung diese Ideen systematisch zu erfassen und ihr Potenzial mit vertretbarem Aufwand zu bewerten. Dabei gilt es einfache und klare Prozesse der Projektauswahl und Projektpriorisierung im Unternehmen anzuwenden, die von allen akzeptiert werden.
Oftmals geschieht die Beschreibung der Projektidee durch die Verfasser unsystematisch. Wesentliche Charakteristika der Projektidee werden so nicht beschrieben, einfach weil der Verfasser nicht daran denkt oder nicht weiß, was genau zu beschreiben ist. Damit kann eine ggf. gute Idee durch das subjektive Bewertungsraster einer „Bewertungs-Jury“ fallen und nicht zum Tragen kommen. Daher müssen Projektideen so aufbereitet werden, dass die Entscheidungsträger objektiv befinden können, ob die eine oder andere Projektidee überhaupt weiter verfolgt werden soll.
Der Prozess im Überblick
Schritt 1: Projektideen sammeln - Erfassung der Projektideen mit einem Projektideen-Steckbrief
Zunächst gilt es die Projektideen der Mitarbeiter nach einem einheitlichen Schema zu sammeln und zu erfassen. Die Erfassung kann mit einem Projektideen-Steckbrief erfolgen, die Sammlung an zentraler Stelle (z.B. Projektbüro/-office).
Schon während der Erfassung der einzelnen Angaben zur Projektidee werden die jeweiligen Autoren der Idee schrittweise zu einem systematischen Durchdenken der Idee geführt. Eine vorschnell skizzierte Projektidee kann so durch den Autor selbst systematisch auf seine Werthaltigkeit hin abgeklopft werden.
Folgende Inhalte sollten im Steckbrief beschrieben werden:
Autor, Bereich, Abteilung, Ort, Datum, Kurzname der Projektidee
Beschreibung der Projektidee
Anlass des Projekts
- Anlässe könnten z.B. sein
- Gesetzliche Vorgaben
- Kundenanforderungen
- Effizientere Prozesse, interne Optimierungen
- Neue Leistungs-/Produktentwicklung
- Verbesserungen einer Leistung, eines Produkts
- Vorläuferprojekte, Vorstudien
- etc
Wichtigkeit / Bedeutung des Projekts / Stellenwert im Unternehmen
- Sinn und Zweck: Warum brauchen wir das Projekt?
- Was passiert wenn wir es nicht durchführen?
Beschreibung der Ziele des Projekts (SMART – Klare mess- und überprüfbare Ziele)
- Was genau soll erreicht werden?
- Wie wird das Ergebnis gemessen? Woran erkennen wir, ob das Projektziel erreicht ist?
- Sind die Ziele von allen akzeptierbar?
- Ist die Zielerreichung nach realistischer Einschätzung auch wirklich machbar?
- Wann soll das Projektergebnis voraussichtlich vorliegen?
Nutzen des Projekts
- Welcher Nutzen wird aus Sicht des Verfassers durch das Projektergebnis bereitgestellt?
- Welche Vorteile werden erzeugt?
- Wie genau sollen durch das Projekt Einnahmen (oder Kosteneinsparungen) generiert werden?
- In welcher geschätzten Höhe werden Einnahmen (oder Kosteneinsparungen) generiert? (Annahmen und Hypothesen sind an dieser Stelle ausreichend)
- Worauf basieren die Annahmen und Schätzungen zur Höhe der Einnahmen/ Kosteneinsparungen? (Erläuterung der Annahmen und Hypothesen)
Nutzer, Empfänger, Kunden
- Für wen konkret wird das Projektergebnis bereitgestellt?
- Welches Problem wird aus Sicht der Nutzer, Empfänger, Kunden gelöst?
- Welches konkrete Bedürfnis wird aus Sicht der Nutzer, Empfänger, Kunden erfüllt?
- Worin werden voraussichtlich aus Sicht der Nutzer, Empfänger, Kunden den Gewinn für sich sehen?
Welche konkreten Schlüsselressourcen brauchen wir voraussichtlich dafür?
- Welche Lieferanten?
- Welches Material?
- Welche Betriebsmittel?
- Welche Werkzeuge?
- Welches Personal?
- Welches Know-how?
Voraussichtlicher Personalbedarf für das Projekt
- Wie viele Mitarbeiter werden voraussichtlich benötigt? (Annahmen und Hypothesen sind an dieser Stelle ausreichend)
- Welches Know-how und welche Erfahrungen der Mitarbeiter sind erforderlich?
Voraussichtlicher Zeitrahmen für das Projekt
- Wie lange wird das Projekt geschätzt in etwa dauern? (Annahmen und Hypothesen sind an dieser Stelle ausreichend)
Voraussichtlicher Kostenrahmen für das Projekt
- Welche geschätzten Kosten, aufgegliedert nach Kostenarten sind für das Projekt zu veranschlagen? (Annahmen und Hypothesen sind an dieser Stelle ausreichend)
Kostenarten
- Materialkosten
- Personalkosten
- Betriebsmittelkosten
- Kapitalkosten
Die Frage nach der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen des Unternehmens macht zu diesem Zeitpunkt noch wenig Sinn. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen finden sich oftmals keine schriftlich fixierte Unternehmensstrategie oder Unternehmenszielsetzungen, die ein Mapping ermöglichen würde.
In diesem Schritt geht es nicht darum bereits detaillierte Ausarbeitungen zu erhalten. Vielmehr sollen besser durchdachte Projektideen zur Vorlage kommen, die durchaus noch viele Annahmen, Schätzungen und Hypothesen beinhalten dürfen.
Schritt 2 Potenzialbewertung - Eine Jury wählt diejenigen Projektideen aus, die weiter ausgearbeitet werden sollen
Die Auswahl der weiter zu verfolgenden Projektideen sollte nach einem einheitlichen und objektiven Bewertungsprozess von einer Jury durchgeführt werden. Diese Jury trifft sich einmal im Monat und sollte mit Mitgliedern aus der Geschäftsleitung, den Bereichsleitern, ggf. den Leitern der Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vertrieb sowie Personal besetzt sein. Halten Sie die Anzahl der Mitglieder jedoch möglichst schlank.
Kriterien für eine Potenzialbewertung sind immer unternehmensspezifisch festzulegen und mit der Geschäftsleitung abzustimmen. Eine mögliche Auswahl findet sich nachfolgend:
Chancen und Risiken (aus Geschäfts-, Unternehmens-, Bereichssicht)
- Investitionsrisiko und Anteil am Investitions-Budget
- Einfluss auf GuV und Bilanz
- Lang- und mittelfristige Ertrags-/Einsparungschancen
- Finanzielle Risiken, welche das Unternehmen ggf. in finanzielle Bedrängnis oder gar in die Insolvenz treiben könnten
- Einfluss auf das Unternehmensimage (positiv, negativ)
Geschäftskritikalität
- Bedeutung des Projekts für das Unternehmen oder dessen Strategie
- Dringlichkeit
Art des Projekts
- Handelt es sich um ein Muss-Projekt, z.B. aus gesetzlichen Gründen
- Ist es Klein-Projekt? (gemäß definierten, unternehmensspezifischen Limits, z.B. Aufwand <20 Personentage, Kosten < 8.000 Euro)
Innovationsgrad
- B. Einsatz neu zu entwickelnder Verfahren und Technologien ggf. ohne die Möglichkeit einer Analogiebildung aus ähnlichen Projekten
und ggf. weitere Kriterien wie rasche Umsetzbarkeit, Risiken, Projektkomplexität, Personalbedarf, Finanzbedarf, etc.
Checklisten und Nutzwertanalysen können in diesem Schritt helfen, die Projektideen systematisch und objektiv nach ihrem Potenzial einzuschätzen.
Schritt 3 Evaluieren - Weitere Ausarbeitung der vorselektierten Projektideen
Für die vorselektierten Projektideen müssen nun einheitliche Kennzahlen ermittelt werden, die für alle Projektideen Anwendung finden.
Wichtige und oft herangezogene Kennzahlen in diesem Kontext sind häufig finanzielle Kenngrößen. Diese werden über dynamische und statische Investitionsrechnungsverfahren (z.B. im Rahmen der Erstellung eines Business case) ermittelt, unter anderem:
Finanzkennzahlen, wie
- Kapitalwert (Net Present Value, NPV)
- Return on Investment (ROI)
- Rentabilität
- Amortisationsdauer / Time to Break-even
- Kosten-/Gewinnvergleichsrechnung
Dazu müssen neben den Kosten, die häufig einfacher zu ermitteln sind auch die Erträge über einen bestimmten Zeitraum (z.B. Monate oder Jahre) geschätzt werden. Diese Schätzungen sind zu diesem Zeitpunkt i.d.R. von vielen Annahmen und Hypothesen geprägt und können damit großen Schwankungen unterworfen sein, welche die Finanzkennzahlen stark verfälschen oder verzerren können.
Weitere Evaluierungskriterien können sein:
- Marktattraktivität
- Wettbewerb
- Technische Komplexität
- Synergien und mögliche Skalierungs-/Hebel-Effekte für die bestehenden Kernkompetenzen Produkte und Dienstleistungen
- Risiken
Marktrecherchen, Messebesuche, Internetrecherchen, Umfragen oder auch Workshops mit ausgewählten Kunden können hier gute Unterstützung leisten. Oftmals werden auch Machbarkeitsstudien durchgeführt.
Weitere Ansätze zur Validierung der oben genannten Annahmen und Hypothesen über Kunden, Markt und Ertragschancen können über Prototypen oder Minimalprodukte. Prototypen sind schnelle, kostengünstige und grobe Studienmodelle der Projektidee, um die Erwünschtheit, Umsetzbarkeit und Brauchbarkeit zu ermitteln.
Minimalprodukt ist ein Konzept mit dem sich auf wirkungsvolle Weise das Interesse an einem Produkt/Dienstleistung überprüfen lässt bevor es vollständig produziert wird.
Mit Hilfe von Datenblättern, Broschüren, Landing Pages, Design von Produktverpackungen und Videos sowie weiteren Ansätzen lässt sich das grundlegende Interesse der Kunden an dem noch nicht produzierten Produkt/Dienstleistung testen. Damit lassen sich die unter Schritt 1 getroffenen Annahmen und Hypothesen gut validieren.
Schritt 4 Priorisierung, Scoring und Ranking der Vorhaben
Die Fokussierung auf die aussichtsreichsten Projektideen wird nun immer konkreter.
Jede Projektidee durchläuft nun einen Scoring- und ein Ranking-Step. Die Kriterien müssen zuvor definiert und mit der Geschäftsleitung abgestimmt sein.
Die Jury kann nun systematisch und objektiv darüber entscheiden, welche Projektideen umgesetzt werden sollen.
Scoring
Ranking
Fazit
Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen sind Finanzmittel und Personalkapazitäten ein sehr knappes Gut. Umso mehr gilt es diese knappen Ressourcen in die „Richtigen“ Projektideen zu investieren.
Mit der vorgestellten Vorgehensweise kann das pragmatisch und mit überschaubarem Aufwand geleistet werden.